LA RENTREE ist neben Weihnachten DAS Ereignis in Frankreich. Das Jahr in Frankreich ist ohnehin schulorientiert strukturiert. Und es fängt mit LA RENTREE an.

Die Rentrée ist dieses Jahr für die Lehrer am Montag, dem 4. September 2013. Die Schüler hatte ich offiziell zum letzen Mal am 9. Juni und der Unterricht fängt am 6. September an. Das heisst: drei volle Monate Ferien für die Schüler der 10. und 11. Klassen. Für die Lehrer sind die Ferien ein bisschen kürzer. Das Schuljahr hat offiziell am 12. Juli geendet. Aber zwischen dem 9. Juni und 12. Juli ist alles mehr oder weniger destrukturiert. Es gab noch ein richtiges Paket Arbeit: das war die Beaufsichtigung des Abiturs. Normalerweise muss man danach korrigieren. Aber ich habe dieses Jahr keine Abi-Arbeiten bekommen. Das kommt wohl mal vor.

La RENTREE ist in der Regel ab dem 15. August Thema in fast jeder Nachrichtensendung. Die Unterthemen sind: der Preis für die Materialien, die Ängste und Sorgen der Schüler/innen und der Lehrer/innen, die Befürchtungen der Gewerkschaften. Am Wochenende vor LA RENTREE hält der Bildungsminister meistens eine Rede. Ich sehe inzwischen überhaupt keine Nachrichten mehr im französischen Fernsehen, weil sich alles wiederholt aber immer mit dem gleichen hektischen und lehrmeisterhaften Ton vorgetragen wird (machen alle französischen Journalisten dieselbe Grande Ecole?). Und dann frag ich mich immer, ob tatsächlich jeder Schüler jedes Jahr eine neue Schultasche bekommt. Und ich würde auch gerne mal wissen wieviel Radiergummi tatsächlich fürs Radieren verbraucht und wieviel in Wahrheit davon als Munition verwendet wird. Ich kann es immer gar nicht fassen, dass alles neu gekauft werden muss. Ich kaufe übrigens ganz selten Kugelschreiber. Die meisten sammele ich irgendwann irgendwo in der Schule auf. Die sind zwar manchmal etwas angeknabbert aber schreiben noch. Zu Haus eschreibe ich dann allerdings mit meinen eigenen schönen Stiften.

Zurück zu LA RENTREE. Dadurch, dass es DAS Ereignis ist und ich soooo lange nicht mehr in der Schule war, nimmt der Stress inzwischen auch bei mir zu. So habe ich das Gefühl, überhaupt nicht mehr zu wissen, wie man unterrichtet. Was mich beruhigt ist, dass auch das sich wiederholt: Stress vor der Rentrée, dann steht man plötzlich vor den Schülern und irgendwie läuft's dann doch. Man muss eben nur LA RENTREE überwinden.

Dazu gehört auch das Wiedersehen mit den Kollegen. Es ist alles so ritualisiert. Man wird am 4. September mit einem Frühstück begrüsst (Billigcafé und Croissants). Davon nehme ich nie etwas: erstens habe ich zu Hause gefrühstückt und zweitens bekommt man von Kaffee und Croissant Mundgeruch. Und überhaupt trinke ich lieber Milchkaffe und den gibt's nicht.

Die Kollegen sind ja zum Teil sehr nett und es freut mich auch, die eine oder andere wiederzusehen. Was ätzend bei der Sache ist, ist, dass wir alle mehr oder weniger angespannt sind und dass jede Konversation so abläuft: Ach hallo. Freut mich Dich zu sehen (ist ja auch nicht immer ganz ehrlich). Und wie waren die Ferien? Oh ganz toll: ich war in Blabla und habe gaaanz viele Freunde getroffen usw.

Und dann sollte man vermeiden nach den Unterrichtsvorbereitungen zu fragen. Da gibt es tatsächlich welche, die damit prahlen, den gesamten Unterricht bis zum Jahresende (in diesem Fall Dezember)vorbereitet zu haben. Da wird mir ganz schlecht.

Bei mir scheitert's übrigens daran, dass ich immer nocht nicht weiss, ob die neuen Schulbücher angekommen sind oder nicht. Da soll ich also in einer Woche vor den Schülern stehen und ganz dynamisch und hochmotiviert von meinen Plänen erzählen und weiss heute noch nicht, ob ich mich auf das Schulbuch stützen kann oder nicht. Und warum ist das so? Weil vor LA RENTREE erst mal überhaupt nichts läuft. Die Person, die darüber Bescheid weiss ist bestimmt schon in der Schule aber wahrscheinlich bereits total "DEBORDIERT" (überfordert, überlastet).

Genau genommen kann ich mich kolossaal darüber aufregen, dass ich auf emine Frage: sind die Schulbücher (Titel, Klasse usw) angekommen? keine Antwort bekommen habe.

Da will ich effizient sein und werde sofort blockiert. Nun kann ich mich aufregen. Ich könnte auch in die Schule fahren, aber da hätte ich ein ganz komisches Gefühl dabei. Offiziell bin ich da ja noch gar nicht vorgesehen, weil LA RENTREE ja noch nicht stattgefunden hat. Und dann müsste ich mit jeder Person, die ich treffen würde erst einmal diesen LA RENTREE Small Talk halten: Salut, comment ça va? Les vacances, les enfants etc. wobei ich dann aber die Leute auch von der Arbeit abhalten würde.

Ich kann mich aber auch bequem in den Sessel setzen, ZDF-Mittagsmagazin gucken und mir sagen: was soll's. Und nach 17 Jahren Beamtendasein kann ich inzwischen sogar mit so einer Haltung leben. Es tut mir dabei Leid um die Gesellschaft, um dieses ineffiziente Schulsystem. Aber so ist es eben.

LA RENTREE ist neben Weihnachten DAS Ereignis in

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